Unsere intendierte Herangehensweise für [mapping_wandsbek postkolonial] liesse sich idealerweise wie folgt beschreiben: Mit einer auf gleiche Weise individuellen wie gemeinsamen, prozessorientierten und prinzipiell ergebnisoffenen Kartierung wurde versucht, unsichtbar Gemachtes bzw. Unbewusstes aufzuspüren und der Reflektion zugänglich zu machen. Mit tourenbezogenen [Fragestellungen] sollten normierende, diskriminierende Zuschreibungen und aktuell wirksame normative Setzungen verdeutlicht werden. Mit der Vorstellung, die Beobachtungspositionen zwischen "innen" und "außen" permanent zu wechseln und mit der Technik eines nur scheinbar peripheren Umherschweifens sollte versucht werden, aus der Selbstverständlichkeit des "klassisch kolonialen", kartierenden, weißen und männlich konnotierten Forschersubjektes herauszutreten. Auf diese Weise sollten auch Positionen und Haltungen hinterfragt werden, die vermeintlich kritisch und distanziert Stereotype und gesellschaftliche Verhältnisse ungebrochen weiter transportieren.
Die Ergebnisse in Form von "Karten", Notizen, Fotos, Zeichnungen und GPS-Koordinaten - wie z.B. Wegmarken (waypoints) und Spurlinien (tracks) - sollen an diesem Abend präsentiert, diskutiert und einer kritischen Reflektion unterzogen werden. Das bei [mapping_wandsbek postkolonial] entstandene Kartenmaterial soll zusammen mit dem webbasierten Stadtplan "Hamburg postkolonial" (Eine Welt Netzwerk Hamburg/ Hafengruppe Hamburg) betrachtet werden.
Im Gespräch wollen wir dabei u.a. folgenden Fragestellungen nachgehen: Inwiefern bzw. unter welchen Voraussetzungen kann die Nutzung von GPS gesellschaftskritisch oder subversiv sein? Was sagen die Karten, Fotos und textlichen Kommentare zur gesellschaftlichen Sphäre, deren Bewusstsein und Handeln aus? Inwieweit kann auf diese Weise die selbstreferentielle weiße Bilderwelt kritisch betrachtet oder gar konterkariert werden? Wie bzw. kann die Abgrenzung gegenüber dem „Fremden“ und „Anderen“ bei der Kartierung (post)kolonialer Spuren und Kontinuitäten außer Kraft gesetzt werden? Siehe hierzu auch [Revision]
Den Blick auf lange Zeit verdrängte Spuren des Kolonialismus zu lenken, ist eines der Ziele von Stadtrundgängen und Hafenrundfahrten, die Hamburger Initiativen seit einigen Jahren im Rahmen der Aktion [Hamburg postkolonial] entwickelt haben (aktuelle Tourentermine [hier].. Damit wollen sie an öffentlich zugänglichen Orten zur Erinnerung, zum Nachdenken und zur Debatte anregen. Im Frühjahr 2008 werden die [Hafengruppe Hamburg] und das [Eine Welt Netzwerk Hamburg] in Zusammenarbeit mit einem Berliner Verlag nun zunächst für die City und Altona einen Stadtplan "Hamburg postkolonial" vorlegen. Ein Stadtplan schafft einen virtuellen Raum, der sich als Navigationsinstrument anbietet, um Vergleiche mit der Realität anzustellen. Er soll es ermöglichen, Spuren der kolonialen Vergangenheit wie der postkolonialen Gegenwart aufzuspüren und in Bezug zur gesellschaftlichen Realität der Stadt zu setzen.
Heiko Möhle berichtet von seinen Erfahrungen mit der kolonialgeschichtlichen Spurensuche und stellt das Konzept des Stadtplans "Hamburg postkolonial" vor.
Heiko Möhle, Historiker, Geograph. Forschung, Ausstellung und Publikation zur deutschen und Hamburger Kolonialgeschichte. Geschäftsführer des Eine Welt Netzwerks Hamburg. Veröffentlichungen u.a.: Branntwein, Bibeln und Bananen. Hamburg und der deutsche Kolonialismus in Afrika - eine Spurensuche (1999), (mit S. Lewerenz, S. Heyn): Zwischen Völkerschau und Kolonialinstitut.- AfrikanerInnen im kolonialen Hamburg (2006).
Die Stadtrundgänge und Hafenrundfahrten werden angeboten von: Hafengruppe Hamburg und St. Pauli Archiv e.V. in Kooperation mit Werkstatt 3 e.V. und Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. Termine und weitere Informationen unter http://www.hafengruppe-hamburg.de, http://www.ewnw.de und unter http://www.st-pauli-archiv.de. Der Stadtplan "Hamburg postkolonial" erscheint im Frühjahr 2008 im Verlag Pharus-Plan, Berlin.