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Offene Geodaten, Freie Software und Bürger/inneninformation

Vielleicht hat Web-Kartierung die Macht, nicht nur Kartographie zu demokratisieren, sondern auch Demokratie zu kartographieren. Räumliche Suche hilft Menschen, Dinge und Dienstleistungen zu finden, die für sie bedeutsam sind; sie hilft auch dabei, die Menschen und Organisationen zu finden, die aufgrund von Wahlen für den Betrieb entsprechender Dienstleistungen verantwortlich sind.

„Karten erzählen Geschichten“

Rich Gibson, Schuyler Erle und ich wollten aus verschiedenen, aber miteinander verbundenen Gründen, ein Buch über „Mapping Hacks“ schreiben. Rich hat den warmen, volkstümlichen Ansatz, dass „Karten Geschichten erzählen“, dass die Werkzeuge, zu deren Erstellung wir Leuten verhelfen wollen, den Aufbau einer kartographischen Erzählung des Lebens ermöglichen, so etwas wie eine voll bewegliche Dia-Schau (full motion slideshow). Er stellt sich vor, wie sein Groß-Großvater mit einem GPS-Gerät westwärts auf dem Oregon Pfad reist, und will diese Geschichte rekonstruieren; Karten nutzend, um das Innere offenzulegen.

Schuyler redet davon, mit unseren Werkzeugen „Kartographie zu demokratisieren“. Sein Drang zu kartieren ist aus gesellschaftlichem Aktivismus geboren; ein Gespür für den enormen Nutzwert gemeinschaftlicher Kartierung, gemeinsamer Stadtplanung und Informationen, die von den Nutzern kontrolliert werden. Werkzeuge zur Erstellung von Karten in's Netz stellen, Schnittstellen für freie und quelloffene Desktop-Werkzeuge bauen, mit denen geographische Informationen verarbeitet werden können; mit der Absicht, die „Wissenschaft der Geographischen Information“ von den Händen der hohen Priesterschaft zu erlösen, die immer noch von den teuren, proprietären Software-Stellungen abhängt.

Ich denke: „Wer die Beschreibung der Welt kontrolliert, kontrolliert die Dinge innerhalb dieser Beschreibung“. Karten, in Teilen und wie das Internet selbst, sind entmilitarisierte Technologie (demilitarised technology). Die Experimente mit ortssensiblen (location aware) Kunstwerken und gesellschaftlichen Werkzeugen, an denen ich mitgearbeitet habe, waren von der Entfernung selektiver Verfügbarkeit des Global Positioning (GPS) Systems in 2001 angetrieben. Die Geodaten, die von staatlichen Stellen gesammelt werden, haben militärische Ursprünge.

Zur Zeit sind die Leute, die ortsbezogene Informationen online verfügbar machen und räumliche Modellierungs-Services aufbauen, in Bezug auf globale Daten haupsächlich von Quellen abhängig, die von der US-Regierung veröffentlicht werden – die VMap0 und teilweise freigegebenen VMap1 Vektor-Daten-Sammlungen; Landsat-Bildmaterial und SRTM Höhenmodelle; das geographische Namensverzeichnis GeoNET? für globale Ortsnamen... Obwohl tiefgehendere, genauere örtliche Informationsquellen verfügbar sind. Sie werden bei Institutionen aufbewahrt, verpachtet ohne das Recht zur Weitergabe oder Veränderung durch eine Institution wie die in Großbritannien ansässige Kampfmittel Erfassung (UK Ordnance Survey). Philip von Spanien hielt seine Karten von Neufundland unter Schloß und Riegel, Staatsgeheimnisse, während die Englischen Karten frei veröffentlicht wurden: und genau die erlangten die Macht, Dinge für die Zukunft zu benennen. Die Anstrengung gemeinschaftlicher Kartierung bietet die Gelegenheit zur Benennung durch Konsens, eine bedeutungsvoll dezentrale Menge von Beschreibungen.

Während der letzten paar Jahre hat sich die Atmosphäre um digitale Kartierung und Web-Kartierung verändert. Amateure, Anwender/innen zu Hause, können sich erstmals die vielen Gigabyte Speicher und umfassenden Breitband Internet-Verbindungen leisten, um mit den großen Mengen von Raumdaten umzugehen – Lastwagen voll mit DAT-Bändern sind pass´e. Das hat dabei geholfen, den „Boom“ quelloffener Geo-Informations-Systeme (open source GIS) herauszustellen. So bekommen Hobby-Projekte wie Quantum GIS mehr und mehr Nutzende und Beitragende, dehnen ihre Schnittstellen in Richtung anderer Software-Projekte aus und nehmen ihren Platz in einer Ökologie wahr.

Gleichzeitig erkundet eine Generation von Medien-Kunst- und Forschungs-Projekten das Potential, das darin liegt, ein ortssensitives System wie GPS mit einem Zwei-Wege-Fluß von Bandbreite zu kombinieren, und schnappen Schlüsselbegriffe wie „mobil“, „überall vorhanden“, „psychogeographisch“ auf. Einige Projekte werfen einen eher kritischen Blick auf Kartographie und erkunden ihre moralischen und metaphorischen Dimensionen; andere entdecken neue Bedürfnisse und Nutzungsmöglichkeiten für räumliche Informationen.

Projekte wie geourl.org und gpster.net fangen an, Dinge im Web mit Dingen in der Welt zu verbinden, und kommen dabei zu ihren eigenen Notierungsformaten für die Kennzeichnung von Dingen im Raum. Standards tauchen aus dem Stegreif auf, und die Schöpfer experimenteller Projekte , freier Software und offener Netzwerke fangen an, Infrastruktur zu brauchen: zur Herstellung von Karten, zum Kreieren und Austauschen von Daten.

Die Erde, Copyright und Google

„Google Maps“ tauchte ungefähr zu der Zeit auf, als wir die Vorproduktion von „Mapping Hacks“ beendet hatten. Nachdem man bemerkt, wie zentral der lokale, mobile Such-Markt für die riesigen Suchmaschinen sein würde, müßte es von großer Wichtigkeit erscheinen, Markenbildung zu erreichen, die Beschreibung im Web-Karten-Raum – selbst unter gewaltigen Lizensierungskosten.

Google's Karten-Webseite, in Großbritannien unter http://maps.google.co.uk/, ist eher ein Anwendungs-Service, und genau das hat die breite Begeisterung darüber hervorgerufen. Anstatt einfach nur Karten bereit zu stellen, stellt Google eine einfache, Web-Schnittstelle bzw. eine Schnittstelle für Anwendungsentwickler zur Verfügung, mit der jeder verschiedene Informationsquellen „remixen“ kann – auf Basis einer Google Maps Karte zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Google. http://googlemapsmania.blogspot.com/ ist ein Weblog, das Beispiele verschiedener „google maps mashups“ sammelt, die von Internetnutzern aus Googles-Schnittstelle (API) und ihren eigenen Datenbeständen gemacht wurden – es gibt hunderte von Beispielen, hauptsächlich in den USA.

Warum reicht Google Maps nicht für die Art von Web-Kartierungs-Anwendungen, die wir machen wollen; ein ausreichend demokratisiertes Werkzeug, das jeder Webseitenproduzent mit JavaScript?-Grundwissen anpassen können sollte? Google übernimmt die Archivierungs- und Digitalisierungsprojekte für bedeutende Bibliotheken und Print-Verlage; warum sollte man nicht die Sammlung und Verteilung nationaler Kartierungsdaten dorthin ausgliedern?

Zwar sind freie Daten als Teil von Googles Karte verfügbar, doch kann „frei“ hier nicht von „unfrei“ getrennt werden. Luftbilder und Vektordaten von Straßen und Gebäuden werden oft aus ursprünglich freien, staatlich veröffentlichten Quellen abgeleitet, aber sie werden mit kommerziellen räumlichen Datenbanken weiterentwickelt, die nicht wiederverwendet werden können.

Die Karten werden weit entfernt von den Menschen, die in ihnen leben, gezeichnet. Für die meisten Orte außerhalb der USA, Großbritanniens und Japans sind sie noch nicht verfügbar. In Gegenden mit „Marktversagen“, wie in Zentral-Afrika, werden sie nie zur Verfügung gestellt werden, obwohl es dafür einen technisch-ökologischen Kontext gibt. Indem die Karten aus der Ferne gezeichnet werden – während lokale Varianten der Ordnungs-, Begriffs- und Wesensbestimmung (ontology) so bedeutend sind – werden Ausprägungen falsch gezeichnet, benannt oder fehlen ganz. Google's Großbritannien-Karten sind einfach nicht besonders gut – schlechte Darstellung, kleine Merkmale fehlen, kleine Orte werden unter Vorzug „anerkannterer“ Orte benannt; ein sehr unvollständiges Modell grünen Raumes.

Wer einen von Google Maps abhängigen Web-Dienst mit der Hoffnung auf hohen Betrieb unterhalten will, muß im Kopf behalten, was passiert, wenn Google seine Lizensierungskosten wieder hereinbekommen muß, indem es den Zugriff auf die Schnittstelle kostenpflichtig macht oder Anzeigen in das Kartenmaterial einbindet; oder, im schlimmsten Fall, ganz verschwindet?

Wir können unsere eigenen Karten herstellen, und wir können auf jeden Fall Web-Kartierungs-Dienste im Google-Stil machen, deren Tiefe und fortlaufende (Be-)Schreibbarkeit viel weiter reicht. Das nachzuweisen ist in den USA sehr viel leichter, wo von öffentlichen Stellen (NASA, Census Bureau) gesammelte Geo-Raum-Daten umsonst und für die Öffentlichkeit erhältlich sind. Auf der Staaten-Ebene stellen viele (wenn auch nicht alle) lokalen Behörden eine menge städtischer Informationen zur Verfügung – so wird es erwartet. „Zur Verfügung“ heißt hier in maschinenlesbarer, offener, strukturierter, standardisierter und dokumentierter Form. Minneapolis zum Beispiel, liefert strukturierte XML-Feeds der jüngsten Sensor-Daten aus seinem Verkehrs-Informations-System.

Die TIGER/line-Datenbank des US-amerikanischen Census Bureau beherbergt einen enorm nützlichen Bestand freier Geodaten. Man kann sie benutzen, um eine relativ genaue Straßenkarte zu erstellen – mit einer überwältigen Menge von Metadaten darüber, was die Dinge sind, wie sie benannt sind und wie sie zusammenhängen. Die Datenbank kann auch zur Herstellung eines „Geocoders“ benutzt werden, einem Dienst, der – mit einer Genauigkeit von fünf bis zehn Metern, der typischen GPS-Fehler-Rate – die ungefähren Längen- und Breitengrade eines Ortes aus der Straßen-Adresse liefert.

http://geocoder.us

In Großbritannien ist das Interesse an Kartierung und räumlicher Notierung angeblich groß, und seit langem beschweren wir uns über den fehlenden Zugang zu Grundkarten, die dem Staat „gehören“; also warum haben wir bisher keine wirklich guten UK-Google-Maps-Mashups gesehen?

Zum einen haben wir keinen Zugang zu einem freien Geocoder. Vorausgesetzt eine Adressliste zu einer allgemeinen Themenstellung, eine sehr übliche Form von Daten und ihrer Anwendung, haben wir noch immer keine freien und weitergebbaren Mittel zur Enkodierung dieser Adressen in Raum; diese Informationen und implizit die Fähigkeit, diese Transformation zu vollziehen, steht unter dem Copyright halbkommerzieller staatlicher Organisationen.

Zum anderen haben wir weder einen Zugang zu wiederverwendbaren, maschinenlesbaren öffentlichen Informationen, noch hat Großbritannien eine derartige Tradition; unsere Gesetze zur Informationsfreiheit (freedom of information laws) bekräftigen sogar die Idee, daß Information in der Standardeinstellung (by default) nicht verfügbar ist. Informationen werden traurigerweise oft auf lokalen Verwaltungswebsites als PDF oder sogar in Word-Ansichten auf Daten und Karteninformationen veröffentlicht. Geodaten haben einen erkennbaren „Wert“, und der kurzsichtige Druck, sie zu kommerzialisieren hat von der National Mapping Agency aus Auswirkungen nach unten. Der Zugriff auf Planungsarchive, die vom National Land Information Service vorgehalten werden, kostet einige Pfund pro Grundstück. All die gerade räumlich bedeutsamen Informationen, die für gemeinschaftliche Planungs-Software einen Ansporn für dezentralisiertere Kontrolle über die Ressourcen liefern könnten, stehen uns nicht zur Verfügung – außer gegen Geld, und dann ohne das Recht zur Weiterveröffentlichung und -verbreitung.

Andrew Rasiejs New Yorker Kampagne für „Öffentliche Fürsprecher/Anw?älte“ (Public Advocate) beinhaltete eine Plattform für allgemeinen örtlichen Netzzugang und einen komplett offenen Zugang zu Regierungsinformationen für Bürger. Seine Kampagne war bemerkenswert, da sie Google Maps Mashups in die Aktivitäten einbezog. Sie nutzte den online Foto-Austausch-Dienst flickr, um Leuten dabei zu helfen, Schlaglöcher und Risse auf vielbenutzten Radwegen aufzuzeigen. Rasiej fragte: „Warum können wir nicht insgesamt und in Real Time die Daten sehen, die in das 311-System (das städtische Informationssystem) gelangen?“ Er gewann 5% der Stimmen.

Der Hurricane von New Orleans und seine Nachwirkungen sorgten für einen plötzlichen Anstieg voyeuristischen Interesses an Google Maps und einige positive Anwendungen: Websites nutzten Datenströme, die von verschiedenen Hilfs-Seiten zusammengeführt wurden, um aufzuzeichnen, wo Behausung und Unterstützung an verschiedenen Orten angeboten wird. Indem sie aus dem Internet verschiedene Datenströme ziehen und sie übereinander legen, machen Web-Kartierungs-Hacker etwas, das für den Bereich digitaler Kartographie ganz natürlich ist.

Making our own map data

In einigen Gegenden ist der Zugang zu Kartierungsdaten eingeschränkt, entweder, weil er vom Staat kommerzialisiert ist, oder, weil Daten gar nicht gesammelt werden, wie etwa in Gegenden des Staats- und Marktversagens. Es sind kommunale Kartierungsprojekte entstanden, die aus GPS-Pfad-Schreibern (GPS track logs) abgeleitete Muster benutzen, um Straßen zu modellieren und Software zu schreiben, mit der die Straßen sich zeichnen und annotieren lassen. Pionierprojekte waren Fahrrad-Kartierungs-Projekte, darunter http://bbbike.sourceforge.net , das Werk eines Berliners aus Liebe zur Sache, und http://bikemap.oneearth.com.au , ein Projekt, das mit der inzwischen populären „Community Mapbuilder“-Software erzeugt wurde – http://communitymapbuilder.osgeo.org . OpenStreetmap?.org, ein in London basiertes Projekt mit Knotenpunkten über ganz Europa, bietet einen Dienst, der GPS-Spuren in XML sammelt und Leuten das kollaborative Zeichnen von Karten erlaubt, im Wiki-Stil mit einem javabasierten Arbeitsfläche.

Das Mumbai-Free-Map-Projekt ging einen anderen Weg in einem Gebiet etwas entspannterer Eigentumsrechte, indem es für eine Stadt mit 18 Millionen Einwohnern die Entwicklungspläne lokaler Behörden von Hand auf Gebäudeebene vektorisierte. Die Pläne sind nun über einen Web-Kartendienst verfügbar, da sie mit webbasierten Notierungsschnittstellen funktionieren und PDF- und gedruckte Karten für lokale Aktivist/innen für Behausungsrechte produzieren sollen. So etwas mit sehr knappen Mitteln zu bewerkstelligen ist durch den Zugang zu freier und quelloffener Software möglich, mit der digitale Kartendaten bearbeitet werden können: Der PostGIS Raumdatenbank, mapserver und geoserver zur Veröffentlichung von Daten im Internet, den beeindruckenden gdal/ogr-Werkzeugen zum Umgang mit vielen Arten proprietärer Datenformate.

Quelloffene Geo-Raum-Software bietet einen machtvollen Werkzeugkasten, doch ohne Daten ist da nichts, womit unsere Werkzeuge arbeiten können. Das Offene-Geodaten-Manifest (Open Geodata manifesto) schlägt eine Beschreibung für ideale Daten-Lizensierungs-Bedingungen vor, der sich staatliche und Graßwurzel-Projekte anschließen könnten – http://okfn.org/geo/manifesto.php . Offener Zugang zu Geodaten ist nur eine „Scheibe“ von Zugang zu öffentlicher Information insgesamt, allerdings liefert es einen Kontext, ein Rahmenwerk, um andere Arten von Information zu analysieren (wie etwa die Reisekosten von Abgeordneten versus die Entfernung von Wohnort zu Parlament).

Mit Zugriff auf mehr bürgerliche Informationsquellen werden wir sie kombinieren, und wir werden die Kombinationen kombinieren, um interessantere und machtvollere Werkzeuge zu produzieren als jemals wirklich hätten „geplant“ werden können. TheyWorkForYou?.com, der Service des amtlichen Berichtes des Britischen Parlaments, ist Teil eines ganzen Netzwerkes von Untersuchungsdiensten zum Verhalten der Abgeordneten und ihren Interessen, die alle noch bedeutender werden, wenn sie durch die Postleitzahlen-Suche von TheyWorkForYou? betrachtet werden. Unzählige Anwendungen, schlicht, doch in der Kombination machtvoll, würden aus einem einfach zu benutzenden, freien webbasierten geocoder für Großbritannien entstehen. Wenn Sie dieses Ideal unterstützen, erwägen Sie bitte, dies zu zeigen, indem Sie das Manifest unterzeichnen!

Jo Walsh

reprinted from Society of Cartographers Bulletin, Nov 2005

Übersetzung: Uta Meier-Hahn


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