Rundgänge des Projekts der Offenen Kartierung im Rahmen von [wandsbektransformance – Die Gegenwart des Kolonialen]
Eine Erstellung individueller und gemeinsamer Karten auf den (post)kolonialen Spuren Jenfelds und Wandsbeks anhand exemplarisch ausgewählter Orte und Plätze mithilfe von GPS-Geräten (Global Positioning System) sowie Text und Bild.
Zwischen Mitte September und Ende Oktober 2007 wurde bei drei thematisch vorbereiteten und begleiteten Touren in die Hintergründe und die Handhabung der GPS-Technologie [1] sowie in die DIY (Do It Yourself)-Kartenerstellung eingeführt. Abgesehen von einem historischen Rückblick galt das Hauptinteresse postkolonialen Kontinuitäten, d.h. wir beabsichtigten kartierend das Bewusstsein dafür zu wecken, dass koloniale Verhältnisse gerade auch in den Kategorien und aus den Perspektiven von „Rasse“/ Weisssein, Gender, Klasse und Arbeit bis in die Gegenwart hinein sichtbar und wirksam geblieben sind, bzw. dass mit einer individuellen/ gemeinsamen Kartierung unsichtbar Gemachtes (erneut) aufgespürt werden kann.
Zu den Rundgängen und zur Kartenerstellung waren Stadtteilbewohner_innen genauso wie alle anderen Interessierten herzlich eingeladen.
Die Ergebnisse in Form von Notizen, Fotos, Tönen, Zeichnungen und GPS-Koordinaten wie z.B. Wegmarken (waypoints) und Spurlinien (tracks) sind anschließend im Internet, im Wiki von Offene Kartierung, veröffentlicht worden. Das erstellte Kartenmaterial ist frei weiterverwendbar und bearbeitbar (Open Source ). Die gesammelten Wahrnehmungen der Teilnehmenden bei den Rundgängen können z.B. zu einer großen Karte zusammengestellt, aber auch einzeln dargestellt werden.
Die eigene, alternative Kartenerstellung sehen wir als Mittel für Wahrnehmung, Nutzung und Veränderung, also auch für die Neu- bzw. Wiederaneignung des städtischen Raumes.
Geplant ist, gemeinsam die koloniale und postkoloniale Geschichte zur Gegenwart - in Form des sichtbaren Alltags - ins Verhältnis zu setzen.
Wir starten hierzu jeweils an einem der markanten Punkte (Askari-Reliefs im so genannten [Tansania-Park], [Schokoladenfabrik Reichardt-Werke]) und bewegen uns dann in die Peripherie, d.h. an den Grenzlinien zu den bekannten und häufiger besuchten (post)kolonialen Relikten. Wie lassen sich diese - bekannten - Orte der angenommenen Ausnahme und damit des Nichtalltages in einen Kartierungsrundgang integrieren, ohne dass sie zum alleinigen Fokus der Aufmerksamkeit und der Reflexion werden? Was geschieht in unmittelbarem Umfeld zu diesen Orten?
Vor beiden Touren wird in einer Einführung besonders für die damals wie heute bestehenden Kategorien Klasse/ Arbeit, „Rasse“/ Weisssein sowie für Genderaspekte sensibilisiert. Hierzu werden mit speziellen Fragestellungen die normierenden und diskriminierenden Zuschreibungen und die aktuell wirksamen normativen Setzungen verdeutlicht. Indem das Umfeld befragt wird, werden die benannten Aspekte Gegenstand der Kartierung. Auf diese Weise können auch Positionen und Muster deutlich werden, die vermeintlich kritisch, distanziert und aufgeklärt Stereotype ungebrochen weiter transportieren. Mit Hilfe der Technik des scheinbar peripheren Umherschweifens, welches zumindest scheinbar die Beobachtungspositionen zwischen „innen“ und „außen“ zu wechseln ermöglicht, wird der Versuch unternommen, aus der Selbstverständlichkeit des (klassisch-kolonialen) kartierenden, strukturell weißen und männlich konnotierten Forschersubjektes herauszutreten.
Beim Offenen Kartieren handelt es u.a. um eine Technik des Umherschweifens, ein Rundgehen in dessen prozesshaftem Verlauf alle Teilnehmenden die Richtungen mitbestimmen und verändern können. Daher lassen sich die Zielorte nicht exakt vorhersagen und können nur als grobe Orientierungs- oder Treffpunkte dienen.
Hinweis Für die Touren erbitten wir eine [Voranmeldung]
Hinweis Die Rundgänge bestehen aus zwei Teilen: Einführung, Rundgang und abschliessendes Gespräch 1 1/2 Stunden, kurze Pause, Auswertung des Materials und provisorische Kartenerstellung 1 1/2 Stunden. Gesamtdauer 3-3 1/2 Stunden.
Freitag, 14.September 2007, 15.00 Uhr, Treffpunkt: Platz vor Conrad-Elektronik, Wandsbeker Zollstrasse 67 -- [Karte]
Metrobus Linie 8 oder 9, ab Wandsbek Markt, Haltestelle Wendemuthstraße
Dieser Rundgang befasst sich mit dem Alltagsdasein rund um Wandsbek-Markt. Wir starten in der Nähe des Geländes der ehemaligen [Schokoladenfabrik Reichardt-Werke] und bewegen uns in Richtung Wandsbek-Markt. Die Tour endet voraussichtlich bei der [Schimmelmann-Büste]. Kartiert werden die unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären, die im Kontrast zwischen Denkmal/ Kolonialwarenfabrik und alltäglichem Warenkonsum und selbstverständlich in Anspruch genommener Dienstleistung in unmittelbarer nachbarlicher Umgebung sichtbar werden. Wer kauft (wo)? Wer ist (wo) tätig? Welche Positionen erlangen Sichtbarkeit und damit Bedeutung und welche nicht?
Freitag, 28. September 2007, 15.00 Uhr, Treffpunkt: Eingang zu den Kasernen, Wilsonstr. 49 -- [Karte]
Bus Linie 162 ab Wandsbek Markt, Haltestelle: Kühnstraße (Ost)
Diese Tour beginnt am Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne. Hier sollen nicht der so genannte [Tansania-Park] und die Askari-Reliefs in den Mittelpunkt gerückt werden, sondern der Blick richtet sich auf die rund um das Gelände angesiedelten Häuser und Wohnstätten. Der Blick über den Zaun, der auch als Grenzlinie zwischen der „Schießwelt“ und der bürgerlichen Vorstadt gedeutet werden kann, soll hier als Wahrnehmungskatalysator dienen. Welche Wirkung kann der Wechsel beim Zusammendenken-Müssen dieser auf den ersten Blick gänzlich unterschiedlich organisierten Umgebungen und gesellschaftlichen Teilrealitäten haben? Das eine Umfeld bildet vermeintlich eine reine Ausnahmesituation, das andere markiert wiederum das so genannte alltägliche Leben.
Freitag, 12. Oktober 2007, 15.00 Uhr, Treffpunkt: Wandsbek Markt, bei der Schimmelmannbüste[Karte]
Diese Tour wird vor allem für die Besucher_Innen der ersten beiden Touren interessant sein, wer bei den ersten beiden Malen nicht dabei war, ist jedoch ebenfalls willkommen.
Mit dem hergestellten Kartenmaterial wird im Rahmen eines dritten, geführten Rundganges an die kartierten Orte der ersten beiden Touren zurückgekehrt. Dort werden die Ergebnisse erläutert, reflektiert/ diskutiert und gegebenenfalls mit Markierungen sichtbar gemacht. Versucht wird, die Karten über diesen Prozess auf den realen Raum zurück zu beziehen und den Stadtraum auf diese Weise in einer anderen Verhältnismäßigkeit wiederanzugeignen.
Die Ergebnisse der drei Touren werden in der Ausstellung im Kunsthaus Hamburg im März 2008 gezeigt und erneut zur Diskussion gestellt. Die gesammelten Aufzeichnungen und Kartierungen der Touren werden - neben der Präsentation im Kunsthaus – im Internet im Wiki von Offene Kartierung dokumentiert und sind frei weiterverwendbar.
Erstellte Karten (Takeaway Maps) liegen auch zur Mitnahme in der Ausstellung aus.
Hinweis Die Teilnahme an den Touren erfolgt auf eigene Gefahr.
[Eine kurze Einführung in GPS]
Kontext:
[Der Weißheit letzter Schluss]